
Psychologischer Horror einer Mutter
21.02.2025 | „Mother’s Baby“ im Berlinale-Wettbewerb

Die Leere in der Stille und das Kraftvolle in der Musik sind zentrale Elemente in Johanna Moders psychologischem Horrorthriller „Mother‘s Baby“, der im Wettbewerb der Berlinale lief. Das fulminante Finale spielt in der Elbphilharmonie.
Von Britta Schmeis
Wer die österreichische Regisseurin Johanna Moder nach der Elbphilharmonie fragt, lässt sie ins Schwärmen geraten. „Sie ist ein Sehnsuchtsort und es ist ein Wahnsinn, was da mit Material und der Architektur geschaffen wurde, eine unglaubliche Akustik, aber auch ein Ort, an dem man sich gehalten, geborgen fühlt“, sagt sie am Rande der 75. Berlinale. Es ist der Ort, an dem ihr verstörendes Drama „Mother’s Baby“ sein fulminantes Ende findet. Von Anfang an hatte Johanna Moder die Elbphilharmonie gemeinsam mit ihrem Co-Autoren Arne Kohlweyer ins Drehbuch geschrieben. Von der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein kamen 150.000 Euro Unterstützung.

Es geht um ein Paar um die 40. Julia (Marie Leuenberger) und Georg (Hans Löw) sind gemeinsam glücklich, jeder einzelne in seinem Job erfolgreich, sie als Dirigentin, er in der Baubranche. Doch etwas scheint zu ihrem Glück noch zu fehlen: ein Kind. Da sie das nicht auf natürlichem Wege bekommen können, begeben sie sich in die Privatklinik des auf den ersten Blick charmant-vertrauenswürdigen schnell aber bedrohlich-unangenehmen Arztes Dr. Vilford (Claes Bang, „Dracula“, „The Square“), der eine enorme Erfolgsquote aufweisen kann. Und tatsächlich wird Julia beim ersten Versuch schwanger. Bei der Geburt kommt es zu Komplikationen und sie wird zu einem traumatischen Ereignis: Ohne es nur zu sehen, wird das Baby den Eltern unmittelbar nach der Entbindung wegen eines vermeintlichen Notfalls entrissen. Als Julia das Baby schon am nächsten Tag im Arm hält, fühlt sie sich seltsam fremd mit dem Kind.
Als „hysterisch“ abgestempelt
Diese Distanz nimmt auch nicht ab, als die kleine Familie wieder zu Hause ist, wenn Julia sich überwiegend um das Kind kümmert, Georg wieder arbeitet. So war es abgesprochen. Beide tun sich schwer dem Kind einen Namen zu geben, Julia hat Probleme beim Stillen. Vor allem aber kommen Julia immer stärkere Zweifel, ob es sich bei dem Baby tatsächlich um ihr eigenes handelt. Das Verhalten des Arztes und auch der dazugehörigen Hebamme nähren dieses Gefühl. Julias Umgebung beginnt, sie als „hysterisch“ abzustempeln. Ein Begriff der gern im 19. Jahrhundert für Frauen vor allem mit postpartaler Depression verwendet wurde. Obwohl ihr Gefühl sie nicht trügt, wird ihr dieses „Muttergefühl“ nicht zugestanden. Es ist einer dieser Widersprüche, die sich in unserer Gesellschaft auftun, wenn es um Mutterschaft geht.

„Es ging uns darum, zu erzählen, dass da ein Paar ist, dass sein Glück schon gefunden hat und trotzdem meint – ob nun gesellschaftlich oder hormonell bedingt – zu diesem Glück auch ein Kind gehört“, sagt Johanna Moder, 1979 in Graz geboren und selbst Mutter von zwei Kindern. Zugleich geht es darum, dass Julia ihre Musik, ihre Karriere zu verlieren droht. „Selbst eine erfolgreiche Frau in einer Führungsposition wie Julia gilt in unserer Gesellschaft oft erst als komplett, wenn sie auch ein Kind hat“, erzählt Johanna Moder.
Die Musik kommt Julia abhanden
Deswegen habe sie sich für die Dirigentin als Beruf ihrer Protagonistin entschieden. „Ein künstlerischer Beruf ist natürlich auch filmisch interessanter als ein Bürojob. Aber in erster Linie ging es mir darum, dass Julia ihren Beruf liebt und dass sie mit der Geburt ihren Beruf nicht mehr greifen kann“, sagt die Filmemacherin, die an der Filmakademie Wien bei Wolfgang Glück, Michael Haneke und Peter Patzak studierte.
Überhaupt nimmt die Musik und gleichzeitig die Stille eine enorme Rolle in diesem psychologischen Horrorthriller ein. Es sei ihre „feinste, durchdachteste Arbeit“ in Bezug auf das Sounddesign (Gina Keller, Nils Kirchhoff, Guido Keller) und die Kompositionen (Diego Ramos Rodriguez) gewesen. Quälend transportiert der Sound die zunehmende Anspannung, das ständige Unbehagen, gepaart mit der aufkommenden Isolation Julias, die sie in die Stille treibt und damit in eine innere Leere.
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Herausragende Marie Leuenberger
Marie Leuenberger, mit der Johanna Moder unlängst den Fernsehfilm „Zeit zu beten. Ein Krimi aus Passau“ drehte und die zuletzt in „Verbrannte Erde“ von Thomas Arslan überzeugte, transportiert diese Unsicherheit und die Zweifel mit einer Intensität, der sich nicht zu entziehen ist. Elegant und doch verletzlich verkörpert Leuenberger mit Minenspiel und Körperlichkeit eine Frau voller innerer Zerrissenheit. Hinzu kommen Andeutungen und Bilder – unter anderem in Gestalt von Axolotl –, die die Anspannung, den subtilen Horror weiter steigern.
Johanna Moders Drama hat etwas Irreales und doch beängstigend Reales. Am Ende aber gelingt Julia die Selbstermächtigung. Die Elbphilharmonie als magischer Ort spielt dabei eine entscheidende Rolle.
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