MOIN Filmförderung Hamburg Schlwesig-Holstein

Anfang April war der European Writers Club mit seinem ersten „Boosting Impact Camp“ zu Gast in Hamburg. Sechs Teams arbeiteten eine Woche lang auf der Reeperbahn an ihren Serienideen. Das Event fand in Kooperation mit der europäischen Initiative Le Groupe Ouest sowie Unterstützung von Sendern, Finanziers und Sales Executives statt. Wir waren einen Tag lang zu Besuch.

Von Daniel Szewczyk

Neun Uhr morgens. Hamburger Reeperbahn. Irgendwo zwischen dem Molotow und der Astra Stube schweben sanfte Meditationsklänge über den Asphalt, die so gar nicht hierher passen wollen. Wir zoomen rein. Über der Astra Stube befindet sich die Event-Location „Hamburger Ding“, in der rund 50 Menschen unterschiedlichen Alters durch einen mit bunten Sofas gespickten Raum gehen. Langsam, viele mit geschlossenen Augen, die Arme schlängeln passend zur Musik durch die Luft. In der Mitte: Mourad Bouayad, ausgebildeter Tänzer, Choreograph – und Tutor beim ersten Boosting Impact Camp 2024 in Hamburg. Die Menschen um ihn herum: einige der kreativsten Filmköpfe aus ganz Europa.

Die Teilnehmer des Camps auf dem Dach vom "Hamburger Ding"
Gute Stimmung auf den Dächern der Reeperbahn: Die Teilnehmer*innen des ersten Boosting Impact Camps in Hamburg

Unter dem Motto „From Facts to Fiction“ haben sich sechs Teams aus Autor*innen und Produzent*innen zusammengefunden, die hier intensiv an Serien arbeiten, die auf wahren Begebenheiten beruhen. Initiator ist der European Writers Club mit Sitz in Dänemark: „Wir versuchen mit diesem Veranstaltungsformat Geschichten zu fördern, die einen Impact auf unsere Gesellschaft haben und relevant sind. Dabei haben wir im Bewerbungsprozess darauf geachtet, dass mit den sechs Teams unterschiedliche Themen abgebildet werden“, sagt Thomas Gammeltoft, CEO des European Writers Club.  So geht es in dem norwegischen Projekt „Strictly Confidential“ der Autorinnen Anna Bache-Wiig und Siv Rajendram um den Angriff auf einen libyschen Diktator und die diplomatischen Bemühungen im Hintergrund.  Die deutsche Serie „The Cloud“ von Autorin Sophie Linnenbaum (The Ordinaries) zeigt ein Zukunftsszenario, in dem es der Menschheit möglich ist, Gefühle, körperliche Empfindungen und Erinnerungen in einen Cloudspeicher hochzuladen. Die Schweizer Produktion „Gold“ der Autoren Christian Wehrlin und Pascal Glatz setzt hingegen illegalen Goldschmuggel ins Zentrum der Handlung.

Das Team der Serie "Gold" sitzt um einen Tisch und diskutiert angeregt.
Ein Teil des "Gold"-Teams: Muriel Côte (l.), Christian Wehrlin und Miriam Suad Bühler beim Brainstorming

Auch eine Hamburger Autorin ist bei „Gold“ mit an Bord: Hamburg Media School-Absolventin Miriam Suad Bühler unterstützt das Projekt als „Emerging Writer“. „Die Emerging Writers – die von der Initiative 'La Cité européenne des scénaristes' ausgewählt wurden – sollen einen frischen und unverbrauchten Blick mit in die Projekte bringen“, sagt Thomas Gammeltoft. Und unverbrauchter könnte der Blick wirklich nicht sein: „Ich kannte nur die Logline des Projekts, bevor ich hierhergekommen bin. Ein Sprung ins kalte Wasser“, sagt Miriam Suad Bühler. Mit ihr sind fünf weitere Emerging Writers mit an Bord, die jeweils einem der Projekte zugeteilt sind. „Die Gruppenarbeitsphasen gleichen der Arbeit im einem Writers Room – wir sind dort voll eingebunden und arbeiten aktiv mit. Gestern haben wir uns dem Projekt zum Beispiel mit graphischen Assoziationen genähert und ich habe gezeichnet. Was in den nächsten Tagen passiert? Ich bin gespannt!“, so Suad Bühler.

Gearbeitet wird während des fünftägigen Camps in Hamburg nach einem Konzept der europäischen Initiative Le Groupe Ouest, die sich als kreative Schreibwerkstatt versteht und mit dem European Writers Club für Boosting Impact kooperiert. „Das Besondere bei Le Groupe Ouest ist, dass die Oralität extrem wichtig ist. Wir schreiben kaum etwas auf. Es geht vielmehr ums Sprechen, Erzählen und Improvisieren. Wenn wir Gedanken aufschreiben, klammern wir uns später meistens daran fest. Doch mit den Teilnehmer*innen wollen wir flexibel bleiben und einen kreativen Raum für neue und unkonventionelle Ideen kreieren“, verrät Tutorin Laura Piani. Die Drehbuchautorin aus Paris ist mit drei weiteren Tutor*innen dafür da, innerhalb der Gruppen neue Impulse zu geben und die Teilnehmer*innen in den Gruppenarbeitsphasen anzuleiten – was manchmal auch ganz schön fordernd sein kann.

Wenn zum Beispiel Gold-Autor Christian Wehrlin wie aus der Pistole geschossen Keywords zu seiner Geschichte in den Raum feuern soll. „Nicht nachdenken, sag einfach das Erste, was dir in den Kopf kommt“, spornt Piani den Schweizer Autoren an und notiert auf einem Whiteboard: „Responsibility“, „Relations“, „System“, „Fear“. Als nächstes muss er Wortwolken um die eben genannten Wörter bauen. Jetzt schaut die Gruppe, zu der unter anderem auch Produzent Stefan Eichenberger (Contrast Film) gehört, welche Wortkombinationen auf den ersten Blick die spannendsten oder vielleicht auch abwegigsten sind – und setzen hier erneut an.

Doch was nützt die beste Idee, wenn sie später nicht den Weg zu den Zuschauer*innen findet? Aus diesem Grund bindet Boosting Impact gleich zu Beginn Sender und Sales Executives aus ganz Europa mit in die Gruppenarbeiten mit ein: „Es ist super wichtig, dass sie direkt von Anfang an mit dabei sind und ihren Input geben. Sie haben ein gutes Gefühl dafür, welche Inhalte später auf dem Markt eine gute Chance haben“, sagt Laura Piani.

Eine weitere Besonderheit sind die so genannten „Provider“ innerhalb der Gruppen – Expert*innen auf einem ganz bestimmten Fachgebiet. Sie sorgen dafür, dass die Geschichten möglichst authentisch sind und die Fakten stimmen. So ist Muriel Côte zum Beispiel Dozentin an der Universität Lund und leitet dort das Forschungsprojekts "Fair gold?“.  Oder Michele Farisco, der unter anderem in der „International Neuroethics Society“ und der „Association for the Scientific Study of Consciousness“ aktiv ist und sich mit Bewusstseinsforschung, Neuroethik und Philosophie des Geistes befasst – und damit ein perfekter Sparing-Partner für das Projekt „The Cloud“ ist.

Insgesamt fünf Tage geht das erste Boosting Impact-Camp in Hamburg. Fünf Tage, die prall gefüllt sind mit Gruppenarbeiten, Vorträgen und Netzwerktreffen. Die nächste Station wird im Juni 2024 Santiago de Compostela in Spanien sein – ein drittes Camp findet im September in Kopenhagen statt. „Hier werden die Projekte dann nochmal final präsentiert, nachdem in der Zwischenzeit kontinuierlich daran gearbeitet wurde – denn auch zwischen den Camps gibt es Deadlines, zu denen die Teilnehmer*innen uns neue Ideen und Entwürfe schicken müssen“, sagt Thomas Gammeltoft. Es gibt also einiges zu tun, bis am Ende ein erfolgreiches Serienprojekt entsteht, das durch die involvierten Sender zum Leben erweckt wird.

Vier Leute sitzen auf einem Stuhl auf einer Bühne
Open Club Event für die Hamburger Branche: Gespräch mit Moderator Helge Albers (MOIN Filmförderung), Regisseurin Sarah Blaßkiewitz, Benjamina Mirnik-Voges (Walt Disney Company Germany) und Jörg Winger (Big Window Productions)

Und um dem Kopf zwischendurch mal eine Auszeit zu gönnen, hat der European Writers Club Mourad Bouayad engagiert, um zweimal pro Tag mit allen Teilnehmer*innen ein entspannendes aber zugleich auch aktivierendes Programm durchzuziehen. Tanzen, Schreien, Innehalten, Lachen – alles ist möglich. Hauptsache, es fühlt sich gut an. Fast, wie an einem ganz normalen Abend auf der Reeperbahn.

Wer ist an Bord?

Boosting Impact wird von der Europäischen Union gemeinsam mit dem Estnischen Filminstitut, AGADIC/Xunta de Galicia, NTA/Screen Ireland, SGAE/Spanien, Vision Denmark, der Dänischen Filmschule sowie MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein finanziert - mit Unterstützung des Dänischen Filminstituts, des Nordischen Film- und Fernsehfonds, des Dänischen Produzentenrechtefonds, des Dänischen Produzentenverbands und der Danish Writers Guild.

Credits: bbouilot
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